29. Okt., 15:30
Wüsste ich nicht, dass dies Wirklichkeit ist, hätte ich geglaubt in ein Schauermärchen hinein teleportiert worden zu sein, wie ich es mir in meinen süßesten (sic) Träumen kaum hätte vorstellen können. Julia Drouhin, die Königin der handgepressten Schokoladen-LPs trat auf dem Stadtgottesacker auf. Der Strom für die Performance »Sweet Tribology« wurde von dem örtlichen Zahnarzt Thilo Grauheding gesponsort (unten im Bild mit Sarah Washington).
Der Rasen war bedeckt mit Herbstlaub und flüsternden Radios und die Menge sammelte sich um eine Holzbank herum, die mit zwei Plattenspielern und allerlei Utensilien geschmückt war. Überall: Exquisite Details… von den Pailletten, die gestern abend noch schnell auf den Schleier der Königin appliziert wurden bis zu den bestickten Unterlagen der Plattenteller! Gespielt wurde eine exzellente Musikauswahl: melancholische Frauenstimmen und alte Chansons drifteten durch die sonnige Herbstluft, die gesättigt war mit dem süßen feuchten Geruch verrottender Blätter. Die Grabsteine schauten gravitätisch drein, aber doch nicht allzu streng und die Stimmung war von allgemeiner Erfüllung und bittersüßer Sattheit getragen.
20:51
Der Radio Relay Circus fand in sämtlichen Räumen des Gebäudes statt, mit Musikern, die die Korridore auf und ab wanderten, RadiokünstlerInnen die einander in gemeinsamen Auftritten abwechselten und den Besuchern, die an der Bar vorbei und durch das Haus flanierten. Ich kam pünktlich, muss aber zugeben, dass es mehr als eine Stunde brauchte, um an der Bar vorbei zu gelangen, wo mich eine ausgesprochen erheiternde Konversation mit Elisabeth aus Wien und Miyuki and Ben aus Australia gefangen hielt. Kräftige Schlucke vom Grauburgunder beflügelten die Entwürfe neuer und so ausgesprochen erheiternder Radioformate, dass unser Gelächter hochwirbelte wie diese kleinen Plastikpropeller, die man als Kinderspielzeug kennt. Das Konzept wird hier natürlich nicht verraten!
Ich hoffe für Euch, dass Ihr in diese drei Stunden zwischen 20 und 23 Uhr reingehört habt, denn es war eine so unendliche Vielfalt zu hören und zu genießen, dass es nutzlos wäre, hier in Details zu gehen. Für die, die es nicht geschafft haben, wird der Radio Relay Circus im Archiv zu finden sein.
Trotz alldem warf das Ende der Radio Revolten seine Schatten voraus. Einige KünstlerInnen hatten sich verabschiedet oder waren dabei und für viele von uns sind es Abschiede auf lange Jahre und große Entfernungen. Ein Grund mehr natürlich, sich den Grooves der fabulösen Fari Bradley hinzugeben, die der Crew von Resonance Radio London angehört.