18. Okt., 22:24
Etwa 15 bis 18 Leute hocken dicht an dicht in einem der runden Zimmer der Hausmannstürme und lauschen ihren Radios. Zwei Männer sitzen sich gegenüber auf Stühlen und schweigen. Ein Mann in einem neon-orangenen Straßenreiniger-Overall händigt Wodka in kleinen Plastikbechern aus.
Aus den Radios dringen Sprachfetzen, Sätze, spitze Schreie. Eine Geschichte wird in Fragmenten erzählt: Hauser in the Woods ist ein Hörspiel von Ralf Wendt (zusammen mit Larry Jones aus Chicago) und es ist ebenso unwiderstehlich wie rätselhaft. Ich bin überwältigt und in den Bann gezogen von diesem Chor knisternder, rauschender Radios und einem entstelltem, immer wieder stockenden Monolog. Hauser, ein Gespenst aus dem Ödland unserer Gehirne, dreht am Rad, dreht durch und geht verloren. Er sucht nach Sinn, vielleicht auch nach Erlösung, sei es für ihn selbst oder sei es für uns:
You are looking for the exit,
you are believing that Hauser will show you the exit.
Maybe that is correct
But the exit is a dead end.
Sie suchen den Ausweg,
sie glauben Hauser wüsste einen Ausweg.
Vielleicht ist das sogar richtig,
Aber der Ausweg ist eine Sackgasse.
Der Ausweg ist nicht …
Hauser ist ein Konstrukt,
sie haben ihn…
You have built him.
Wir hören Montagen von Verkehrslärm und öffentlichen Orten, geschnitten zu Schleifen und versetzt mit Klängen wie von kreischenden Vogelschwärmen… da ist ein Grollen, das schleift gegen Mauern und Metall und Astwerk. Immer wieder ertrinken die Stimmen und Töne in der knisternden Statik einer umherrirrenden Frequenz. Hauser verwüstet unser Hirn und Hören und kehrt dort Bewegung, Zerstörung und die Sehnsucht hervor.
He fears he would not exist.
He is a pathetic creature
He is a nothing.
Er hat keinerlei Liebe oder Erfolg erfahren.
Hauser is freak of civilization.
You believe in him as a saviour… forget it!
Ohne unsere Ängste gäbe es ihn gar nicht…
Hauser ist ein Nichts.
Die zwei Männer springen auf und rennen plötzlich zur Wendeltreppe abwärts. Haben sie eine Botschaft erhalten? Wurden sie von Hauser kontaktiert? Ein Teil des Publikums folgt ihnen, poltert die Stufen hinab, die zischenden Radios in ihren Händen. Der Rest der bleibt, hört das Echo ihrer Flucht in den Lautsprechern widerhallen.
Ein wenig später heulen die Wölfe in den Straßen von Halle…
Als wir auf den verlassenen Marktplatz hintreten, sind nur noch zwei von uns übrig. Das Pflaster glänzt weiß und schwarz im Regen, unsere Radios vibrieten mit den Schreien und Rufen der in Halle entfesselten Hauser-Meute. Ich bezweifle, dass ich alle von ihnen wiedersehen werde.
Krähenzeichnung: Wolfgang Kriener