11. Okt, 17:05
Endlich! Besuch von Joyce Hinterdings Installation in der Moritzburg an einem bereits dämmrigen Halle-Nachmittag. In den Vitrinen blutige Tränen weinende Madonnen, sterbende St. Sebastians, Altarstücke aus dem 15. Jahrhundert und sakrale Miniaturen aus Speckstein. Blaues Nachmittagslicht fließt von den Fenstern. Als Kontrast dazu der staunenswerte »Vorhang« aus Kupferdraht, aufgespannt zwischen den zwei tragenden Säulen des Gewölbes, die damit vollständig umwickelt sind. Hinderdings Arbeit hat Grandeur.
Für eine präzise technisch-ästhetische Beschreibung mag man die entsprechende Information auf der Radio Revolten-Seite hinzuziehen… ich war mehr mit dem Zusammenspiel von Licht, Klang, Raum und Farbe befasst.
Geht man im Raum umher, hallen die Schritte von den Wänden wieder und mit jeder Bewegung verschieben sich die Lichtbögen auf und hinter dem »Kupferschirm« und der Widerschein auf dem Draht ändert Form und Farbton. Die im Raum vorhandenen elektrischen Energien und Felder werden akustisch umgewandelt und so ist das Gewölbe erfüllt von einem durchgehenden, minimal schwankenden Sirren.
»Aeriology« etabliert eine säkulare »Wellenwelt« parallel zu der sakralen Sphäre. Am Fuß einer der Säulen hockt ein Oszillator, auf dem länglichen Bildschirm ein grün flimmerndes Frequenzmuster. Für den den Raum füllenden Ton wiederum würde ich sagen, dass seine Farbe hellgrau ist, mit Abstufungen zu Indisch-Gelb. Ein grünlicher Hauch liegt auf dem Faltenwurf der Madonnen- Kleider und schimmert auf ihren Stirnen und Wangen. Gold und Holz, Glas und Stein, die Körperlichkeit von Kupfer und der immaterielle Sog feiner Energien als ein Reigen einander ergänzender Kontraste, deren Credo in den niedergeschlagenen Augen der Marien-Schönheiten seinen Widerschein findet.
Ich rate, allein dorthin zu gehen. Am besten an einem vernieselten Nachmittag.