Halle / Traum 8:30, 1. Okt. 2016
Der Morgen ist feucht und frisch, die Astern tropfen, der Himmel ist ein nieseliges Versprechen. Letzte Nacht kroch ich mit den KünstlerInnen der Radio Revolten durch sizilianische Tunnelsysteme, jede/r bepackt mit Technik, um schließlich in voller Sonne unter Feigenkakteen und Bougainvillaas in grellem Pink aufzutauchen… Nachbilder meiner Reise von vor ein paar Tagen. Auch ein Konzert fand neben den Kakteen statt, mit KünsterInnen, die noch gar nicht in Halle angekommen sind, aber bald kommen würden…
Erste Ankunft, 20:00, 30. Sept. 2016
Ein Tischtennistisch unter einer Discokugel, der Garten in Dunkelheit gefegt, das Team sitzt auf den Holzbänken, die Stimmen sind konzentriert. Dann zerstreuen sich die Leute, ein zwei Zigaretten, die hochgespannte Arbeitsatmosphäre verfliegt in der Nachtluft.
Zweite Ankunft, 22:30
Auf dem Weg zur Straßenbahnstation liegen kleine rote Herzen verstreut. Überbleibsel von einer Party oder Eröffnung in einer Straße-deren-Namen-ich-nicht-weiß. Ich bin mit Anna Fritz aus Kanada unterwegs. Wir treffen Dinah Bird, Peter Courtemanche (der die Installation im Botanischen Garten macht), Elisabeth Zimmermann von Kunstradio, Sarah Washington, Sally McIntyre, Udo Israel and Nils-Holger Wien, der die Arbeitskluft des Radio Revolten/Radio Corax-Teams entworfen hat.
Studio »RÄDIÖ«, 23:00
Ein quadratischer weißer Tisch, Mikroständer, die Mikros angetan mit Pop-Schützern in grün und rot und blau und gelb. Links das Studio-Deck und Kabelhaufen, die makellos geordnet und mit kleinen Papierstickern ausgezeichnet sind: »Air Time«, Mic 1/2/3/4, Boxen etc. Im Vorzimmer: Lötkolben, Computer, Pulte. Der Raum füllt sich mit Leuten und den Tönen einer Kalimba, Plastikbecher und Sekt werden platziert. »Leslie« wird präpariert: In seinem Kunstkopf werden ein binaurales Mikrofon und ein Radiotransmitter verstaut.
Stunde 0:00
Radio und Zeit sind relativ… aber nun ist die Zeit für die Eröffnung da. Radio Revolten sendet und mit Mr. Israel am Mikrofon entfaltet sich eine Radiostunde in der Dünung von Grüßen an und von Halle an alle Welten draußen, Kalimba-Klängen, sprudelndem Sekt, Hurrarufen und den Tönen einer goldenen Glocke. Es wird über Pflanzen, Wellen und Duft gesprochen. Tim Kurth vom technischen Team berichtet von den Arbeiten hinter den Kulissen, die während der vergangenen drei Monate stattgefunden hat. Anna Fritz improvisiert eine spontane Sprechperformance, Helen Hahmann gibt ein Kuhglockenkonzert. Derweil wird »Leslie« durch das Heim der Radio Revolten getragen und überträgt die Töne des Rundgangs parallel zu den Gesprächen im Studio. Gut 20 Künstlerinnen haben ihre Visionen von Radio als einem Da-Seins-Zustand in Statements gefasst und eingeschickt, unter ihnen Gregory Whitehead und Felix Kubin. Die Worte werden von verschiedenen Stimmen gelesen, zwischen den Geräuschen von Kleiderrascheln und Papier und den sanften Klängen der Kalimba, die meist von Jan Langhammer gespielt wird. Während die Minuten sich in ein seltsam schönes, schwereloses Kontinuum dehnen, sitzt Knut Auferman still auf einem Stuhl links vom Tisch, mit einem aufmerksamen und sehr glücklichen Lächeln auf den Lippen. Niemand, sagt er, hätte sich diese erste Stunde vorstellen können, nicht mit all der Arbeit, die dauernd zu tun gewesen sei. Nun ist sie da.